CO2 aus der Luft absaugen?

    Es ist möglich, Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen. Aber es ist trickreich. Die Schweiz kennt schon länger die sogenannte «Senkenleistung» des Holzes. Doch die Möglichkeiten sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.

    (Bild: Climeworks) Die Anlage Orca in Hellisheiði: Sie saugt und speichert CO2 aus der Luft.

    Man kann so viel CO2-Emissionen reduzieren, wie man will. Man wird sie nie ganz eliminieren können. Menschen und Tiere stossen Treibhausgase aus. Ebenso tun es Industrie, Landwirtschaft und Verkehr. Deshalb gibt es verschiedene Technologien und Systeme, um die Treibhausgase einzufangen. 

    Bekannt ist der CO2-Staubsauger. Er nimmt die Treibhausgase aus der Luft und lagert sie im Gestein ein. Er ist nur eine Möglichkeit unter vielen. Die Technologien und Vorgehen, um CO2 einzufangen und zu binden, nennt man «Senke».

    Es gibt verschiedene Typen von Senken. Die Schweiz anerkennt seit 2012 das verbaute Holz. Alles in den Gebäuden installierte Holz bindet CO2 und entzieht es der Atmosphäre. Damit werden Treibhausgase reduziert. Die Schweiz ist dabei, zusätzlich zur Holzsenke weitere zu ermöglichen, zu bauen und umzusetzen. Welche Typen von Senken gibt es?

    Biologisch oder Geologisch
    Senken können in zwei Gruppen unterteilt werden. Es gibt biologische Senken auf der einen Seite und es gibt technische und geologische Senken auf der anderen. Die erste benützt die chemischen Vorgänge in der Natur; die zweite setzt Filter und Chemie ein, um CO2 einzufangen und zu binden. Kästchen 1 und 2 geben jeweils eine Übersicht mit Beispielen dazu.

    Damit aber eine Massnahme als CO2-Senke wirken kann, müssen die gebundenen Treibhausgase dauerhaft respektive über einen längeren Zeitraum gespeichert werden. Gemäss dem Schweizer Recht muss eine Senke das CO2 für mindestens 30 Jahre binden. Das ist eine echte Herausforderung. Denn nicht alle Senken können eine permanente Bindung von CO2 garantieren.

    (Bild: pixabay) Das verbaute Holz zählt als CO2-Senke.

    Knacknuss Permanenz
    Alle biologischen Senken sind grundsätzlich reversibel: Das gespeicherte CO2 kann infolge von Naturereignissen, zum Beispiel durch einen Waldbrand, oder Nutzungsänderungen wieder in die Atmosphäre gelangen. Dem Risiko durch Nutzungsänderungen kann teilweise entgegnet werden. So lassen sich im Grundbuch bestimmte Bedingungen zur Permanenz eintragen. Dennoch ist das Risiko der mangelnden Permanenz bei den biologischen Senken hoch.

    Bei geologischen Senken ist die Permanenz aufgrund bisheriger Studienergebnisse weitgehend unbestritten: Die Lagerung in leeren Gasfeldern ist über mehrere Jahrhunderte und die Fixierung in basaltischem Gestein über praktisch unbeschränkte Zeiträume möglich. Chemisch und physisch sind die Bindungen stabil. Das ist auch der Grund, warum geologische Senken als vielversprechend gelten.

    Schnelle Entwicklung
    Die Entwicklung vor allem der geologischen Senken erfolgt zügig. Die Permanenz ist eines ihrer Vorteile. Doch das andere ist ihr Preisversprechen. Die meisten Senke-Projekte in der Schweiz wollen in der Lage sein, eine Tonne CO2 für weniger als 100 Franken zu reduzieren. Das ist weniger als die aktuelle Höhe der CO2-Abgabe. Sie beträgt 120 Franken pro Tonne. Aus diesem Grund nehmen die Investitionen in Senken rapide zu.

    Ein Beispiel bringt das auf den Punkt: Im September 2021 wurde die Anlage Orca eingeweiht. Sie steht in Hellisheiði in Island und wurde von der Schweizer Firma Climeworks erbaut. Sie funktioniert wie ein grosser Staubsauger. Orca nimmt das CO2 aus der Luft, bindet es und speichert es unterirdisch in Basaltgestein. Sie kann pro Jahr 4000 Tonnen CO2 reduzieren. Noch nie ist diese Technologie weltweit in derartigen Dimensionen eingesetzt worden.

    Schweiz hat die Nase vorn
    Orca ist nur ein Beispiel. In der Schweiz selber ist man dabei, weitere Senken-Technologien umzusetzen. Ob Speicherung von CO2 in Recyclingbeton oder seine Umwandlung in Kunststoffe; ob Einlagerung von Schlacke und Schlamm oder neue Nutzungsformen des Waldes: Verschiedenste Tyen von Senken werden derzeit aufgebaut.

    Die Schweiz ist wegen ihrer Forschungs- und Innovationskraft gut aufgestellt. Sie kann eine wichtige Rolle in der Entwicklung dieser Technologien einnehmen. Vor allem kann sie die Senken selbst einsetzen, um ihre ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Der Bundesrat hat bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst. Die Wirtschaft ist daran, verschiedene Pilotprojekte zu finanzieren. Die Zeichen stehen also positiv. 

    Henrique Schneider

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