«Kunststoffe lassen sich sehr gut recyclen»

    Kunststoff muss nicht im Widerspruch zum Umweltschutz stehen. Er lasse sich auf verschiedene Weise wiederverwerten und trage durch sein geringes spezifisches Gewicht zur Reduktion von CO2 bei, sagt Kurt Röschli, Geschäftsführer des Branchenverbands Kunststoff.swiss. Das Berufsfeld sei auch für junge Leute attraktiv. 

    (Bilder: zVg) Mit dem Projekt ERDE Schweiz wird das Recycling von Silagefolien aus der Landwirtschaft vorangetrieben.

    Herr Röschli, beim Thema «Kunststoff» denkt man nicht unbedingt an Nachhaltigkeit. Doch in der Branche passiert einiges. Geben Sie uns doch bitte einen kurzen Überblick über die Aktivitäten in diesem Bereich. Der Verband hat sich in seinen Strategien die Nachhaltigkeit mit Priorität auf die Fahne geschrieben. Wir unterstützen Motionen im Parlament, bei denen es um Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft geht. Wir sind bei wichtigen Ausschüssen dabei, so zum Beispiel bei der Drehscheibe Kreislaufwirtschaft mit der Sammlung 2025, die eine einheitliche Sammlung von Verpackungsabfällen in der Schweiz vorantreiben. Wir schieben Studien für Zero-CO2-Emission an, die von Innosuisse, Hochschulen, Verbänden und weiteren Stakeholdern getragen werden. Im Bereich PVC werden Fensterrahmen gesammelt, ins Werk zurückgeführt und als Profile wiederverwertet. Denken Sie auch an das Pet Recycling Schweiz (PRS), ein Erfolgsmodell mit einer Sammelquote von über 83%. Im April dieses Jahres hat die Sammlung der Silagefolien begonnen. Alles gute Beispiele für Kreislaufwirtschaft.

    Bleiben wir beim Stichwort «Kreislaufwirtschaft». Warum eignet sich Kunststoff dazu? Kunststoffe lassen sich auf verschiedene Arten sehr gut recyceln: Da ist einmal das stoffliche Recycling, bei dem wieder neue Kunststoffe entstehen – hier benötigt Kunststoff aufgrund seines tieferen Schmelzpunktes viel weniger Energie als Glas oder Aluminium. Dann das chemische Recycling: Hier werden z.B. die Kunststoffe in die Monomere, also ins Ausgangsmaterial zurückgeführt, womit eine Art Öl entsteht, welches wieder zu Kunststoffen verarbeitet werden kann. Dies ist die zukunftsträchtige Ergänzung für mehrschichtige Kunststoffe oder solche aus Anwendungen, die nicht stofflich verwertet werden können. Dann die thermische Verwertung, bei welcher durch das Verbrennen von nicht recycelbaren Kunststoffabfällen Energie und Chemikalien (z.B. Salzsäure) oder Metalle wie Zink, Cadmium oder Blei zurückgewonnen werden. Vor allem die Gewinnung von Energie ist sicher gerade heute ein aktuelles Thema. Die Problematik der dabei entstehenden Emissionen von Treibhausgasen kann mit Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) begegnet werden. In der neu abgeschlossenen Leistungsvereinbarung zwischen Bund und Kehrichtverbrennungsanlagen ist die Einführung von CCS ein Bestandteil. Die KVA-Betreiber müssen bis 2030 mindestens eine solche Anlage in Betrieb stellen.

    Ein aktuelles Projekt Ihres Verbands betriff das erwähnte Recycling von Silofolien. Erzählen Sie! Das Projekt ERDE Schweiz betrifft die Sammlung und das Recycling von Silagefolien und Netzen aus der Landwirtschaft. Das Potential beträgt rund 7’000 Tonnen Folien pro Jahr. Studien der Empa und des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) zeigen grosse Mengen an Mikroplastik in Böden, die durch das Verrotten dieser Folien entstehen. Wir haben ERDE Schweiz im Juli 2021 gegründet und mit rund 100 Sammelstellen begonnen. Dieses Jahr wird es uns gelingen, von den 7’000 Tonnen bereits rund 1’800 Tonnen zu sammeln und zu Kunststoffprodukten für die Landwirtschaft wiederzuverwerten, anstatt diese einfach zu verbrennen. Also ein Paradebeispiel für einen idealen Kreislauf wie das PET-Recycling.

    Der meiste Eintrag von Plastikmüll in den Weltmeeren stammt aus Südostasien, wo entsprechende Abfallmanagementsysteme fehlen.

    Kunststoff kann auch zur Reduktion von CO2 beitragen. Wie muss man sich das vorstellen? Ein Auto wäre ohne Kunststoffe rund 300 kg schwerer. Ein Airbus besteht z.B. aus 53% Kunststoffen. Das spezifische Gewicht von Kunststoffen ist rund 8-mal leichter als dasjenige von Metallen. Nimmt man das Beispiel des Airbus, dann ist dieser auf Grund des Kunststoffanteils etwa 4-mal leichter als mit herkömmlichen Materialien hergestellt. Damit fällt bedeutend weniger CO2 beim Beschleunigen und beim Bremsen an. Denken wir auch an die Isolation von Häusern aus Kunststoffen. Diese weisen aufgrund ihrer schlechten Wärmeleitfähigkeit hervorragende Isolationseigenschaften auf. Diese machen wir uns ja auch beim Skifahren und Bergsteigen mit Funktionswäsche zu Nutze. Studien zeigen, dass die Bauwirtschaft rund 39% der Treibhausgas Emissionen ausmacht. Es besteht also ein grosser Hebel, um Energie einzusparen oder CO2 zu reduzieren. Im weiteren schützen Verpackungen aus Kunststoff Lebensmittel, was Foodwaste reduziert und somit ebenfalls den CO2-Ausstoss reduziert. 

    Im internationalen Kontext ist die Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik ein grosses Problem. Was kann man dagegen tun? Es stammen nur 3% des Microplastics, also Teile, die kleiner sind als 5 mm, aus Westeuropa. Der weitaus grösste Teil von Mikroplastik in den Weltmeeren stammt aus dem Strassenverkehr (Reifenabrieb) und aus der Textilwäsche. Daraus ergeben sich auch die Handlungsoptionen. Textilfasern spielen in der Schweiz keine Rolle, sie werden von den Abwasserreinigungsanlagen fast vollständig eliminiert. 

    Und wie steht es mit grösseren Plastikprodukten in den Weltmeeren? Dazu müssen auch in Schwellenländern Abfallmanagementsysteme aufgebaut werden. Heute haben rund 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu geordneter Abfallentsorgung. So stammt auch der meiste Eintrag von Plastikmüll in den Weltmeeren aus Südostasien, wo entsprechende Systeme des Waste Managements fehlen.

    Reden wir noch etwas grundsätzlicher über Ihre Branche. Wie sieht der typische Kunststoff-Betrieb in der Schweiz aus? Und welchen Stellenwert nimmt die Kunststoffindustrie in der Schweizer Wirtschaft ein? Die Kunststoffindustrie beschäftigt rund 33’000 Mitarbeitende mit einem Umsatz von gegen 16 Milliarden CHF, das sind rund 2.2% des BIP. Wir sprechen von rund 800 Betrieben, zu praktisch 90% KMU, also das Rückgrat der Wirtschaft, die in irgendeiner Form mit der Kunststoffindustrie direkt oder indirekt verbandelt sind.

    Sie kämpfen aktuell mit einem Arbeits- und Fachkräftemangel. Das fängt bereits bei den Lehrstellen an. Welche Jobs, Chancen und Möglichkeiten bieten Sie jungen Menschen? Es gibt grundsätzlich zwei Richtungen: Kunststoffpraktiker/in (EBA) und Kunststofftechnologe/in EFZ. Wer die zweijährige Ausbildung mit Berufsattest (EBA) absolviert hat, kann nach Abschluss nahtlos eine verkürzte EFZ-Lehre anschliessen. Nach einem Abschluss mit EFZ kann eine Kunststofftechnologin oder ein Kunststofftechnologe mittels Berufsmatura sogar ein Hochschulstudium ergreifen. Die Praxis zeigt, dass die wenigen Kunststofftechnologen sehr gesucht sind. Man findet diese rasch in Kaderfunktionen.

    Wie können Sie Lehrlinge abholen, die im Umweltbereich etwas bewegen wollen? Wir zeigen ihnen auf, was für ein äusserst kreislauffähiges und innovatives Material mit vielen Anwendungsmöglichkeiten der Kunstsoff ist. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit läuft sehr viel. Da gibt es viel zu erforschen und zu tüfteln, um auf noch bessere Materialien zu kommen. Schliesslich zeigt eine kürzlich publizierte Studie auf, wie sich die Kunststoffindustrie hin zum Netto-Null Ziel im Jahr 2050 transformieren kann. Wir sind also durchaus eine zukunftsfähige Industrie. 

    Dr. Philipp Gut  

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